Zwei langzeitarbeitslose Frauen sind mit Hilfe des Teilhabechancengesetzes nach Jahren der vergeblichen Arbeitssuche wieder in Beschäftigung (Lesezeit ca. 5:30 Min.)



Ausgabejahr 2021
Datum 20.05.2021

27 Monate nach der Einführung des Teilhabechancengesetzes wird diese Fördermöglichkeit von den Arbeitgebern noch immer gern genutzt. Mit diesem Gesetz werden neue Chancen für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erschlossen und gefördert. Insbesondere im Alten- und Pflegebereich ist man in der Neubrandenburger Region offen für die Möglichkeit, über diesen Weg langzeitarbeitslosen Menschen wieder eine neue berufliche Perspektive zu geben.

Die WILMA – Der Neubrandenburger Pflegedienst – Gesellschaft für Dienste im Alter mbH hatte bereits im Jahr 2019 eine Arbeitnehmerin über diese Förderung eingestellt und im Jahr 2020 das Personal nochmal um eine zweite Arbeitnehmerin aufgestockt.

Für beide Frauen erhält der Arbeitgeber auf Grund der Dauer der Arbeitslosigkeit und der damit einhergehenden schwerwiegenden Vermittlungshemmnisse eine 5-jährige Förderung vom Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte-Süd über das Teilhabechancengesetz. Parallel zur Beschäftigung findet zudem ein Coaching der Frauen statt, um auftretende Probleme rechtzeitig zu besprechen und das Beschäftigungsverhältnis weiter zu stabilisieren und nicht zu gefährden.

Frau Manuela Stenzel ist die Geschäftsführerin der WILMA GmbH. Sie sprach mit Thomas Elsner – Pressesprecher des Jobcenters Mecklenburgische Seenplatte-Süd – über ihre Erfahrungen mit diesem Förderinstrument.

Manuela Stenzel Foto: WILMA Pflegedienst

Jobcenter: Frau Stenzel, Sie haben relativ bald nach Einführung des Teilhabchancengesetzes von dieser Fördermöglichkeit Gebrauch gemacht und zunächst Frau Bayer eingestellt. Frau Bayer war zuvor im Rahmen einer 3-monatigen Beschäftigung auf Probe bei Ihnen beschäftigt. Mit Ausnahme dieser kurzen Beschäftigung war sie zum damaligen Zeitpunkt seit 1999 arbeitslos. Diese Zeit wurde lediglich durch Erziehungszeiten, verschiedene vom Jobcenter geförderte Lehrgänge und mehrere Arbeitsgelegenheiten unterbrochen. Warum haben Sie sich trotzdem für Frau Bayer entschieden?

Manuela Stenzel: Unser Motto lautet: „Wir pflegen Menschlichkeit!“ Dieses Motto bezieht sich nicht nur auf die uns anvertrauten Menschen, sondern natürlich auch auf unsere Haltung zu unseren Mitarbeitern. Zu einem menschlichen Umgang gehört es auch, Vertrauensvorschuss zu geben und Chancen einzuräumen. Nach der Beschäftigung auf Probe waren wir überzeugt, dass Frau Bayer für unser Team eine Bereicherung sein kann. Uns war auch bewusst, dass eine so lange Zeit ohne Arbeit nicht ohne Spuren an Frau Bayer vorbeigegangen sein kann. In Kombination mit dem Coaching waren wir von Anfang an zuversichtlich, dass wir gemeinsam eine Zukunft haben.

Jobcenter: Zu einem späteren Zeitpunkt signalisierten Sie dem Jobcenter Ihre Einstellungsbereitschaft für weitere langzeitarbeitslose Bewerber/innen im Rahmen des Teilhabechancengesetzes. Welche Beweggründe hatten Sie, diesen eine Beschäftigungsperspektive geben zu wollen? - Waren es die positiven Erfahrungen mit Frau Bayer? Spielten unternehmensinterne Überlegungen eine Rolle? Waren finanzielle oder andere Aspekte der bis zu 5-jährigen Förderung für Sie ausschlaggebend?

Manuela Stenzel: Natürlich spielen finanzielle Aspekte eine Rolle, dennoch bringt keine Förderung etwas, wenn die langzeitarbeitslosen Bewerber keine Perspektive für sich selbst entwickeln. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass Bewerber nach so langer Zeit viele Herausforderungen zu bewerkstelligen haben, mit der notwendigen Ausdauer aber die Chance auch sehr zu schätzen wissen und mit vollem Elan an die Arbeit gehen. Die Motivation ist mit dem persönlichen Erfolg, auch Dank des Coaching, immer weiter gestiegen. Motivation ist die Basis für eine gewinnbringende Zusammenarbeit.

Jobcenter: Im Laufe des Jahres 2020 kamen noch Frau Brettschneider und eine weitere Bewerberin über das Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ neu in Ihr Team. Beide waren ebenfalls schon lange nicht mehr im Arbeitsprozess. Frau Bayer ist seit April 2019 als Betreuungskraft und Frau Brettschneider seit Januar 2020 als Hauswirtschaftshelferin bei Ihnen tätig. Wie gestaltete sich nach den Jahren der Arbeitslosigkeit für Sie als Arbeitgeberin die Integration/Einarbeitung der Frauen?

Manuela Stenzel: Es ist für eine langzeitarbeitslose Person schon eine sehr große Herausforderung. Die Struktur des Alltags folgt nun wieder einem Arbeitsrhythmus, körperliche und geistige Belastung stellen eine ganz andere Herausforderung dar. Da kann es schon am Anfang dazu kommen, dass der Arbeitnehmer auch Auszeiten braucht. Als Arbeitgeber muss man die richtige Dosis an Arbeitsaufgaben und Arbeitsbelastung finden, immer wieder im Gespräch miteinander sein. Letztlich bekommt man ja auch für die Minderleistung die Förderung, also muss man mit der Minderleistung auch umgehen. Dann ist es ein Zugewinn für beide Seiten.

Jobcenter: Lässt sich aus Ihrer Sicht sagen, dass eine lange Arbeitslosigkeit nicht automatisch Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt bedeutet? Welche Chancen und welche Herausforderungen sehen Sie als Arbeitgeberin bei der Integration von Langzeitarbeitslosen?

Manuela Stenzel: Lange Arbeitslosigkeit hat überhaupt nichts mit Chancenlosigkeit zu tun. Es gibt viele unterschiedliche Gründe, warum Menschen lange Zeit nicht gearbeitet haben; das bedeutet nicht automatisch, dass derjenige keinen Beitrag leisten kann. Im Gegenteil, wenn ein langzeitarbeitsloser Bewerber für sich den Nutzen entdeckt und die entsprechende Motivation entwickelt, dann hat er die gleichen Chancen wie jeder andere auch.

Jobcenter: Neben der finanziellen Unterstützung gehört auch ein individuelles Coaching der Frauen zur Förderung dazu. Ist das aus Ihrer Sicht erforderlich und hilfreich?

Manuela Stenzel: Das Coaching ist die Basis für den Erfolg von Langzeitarbeitslosen. Es gibt Dinge, die können wir als Arbeitgeber nicht sehen, nicht ansprechen. Im Coaching ist dafür Raum. Auch muss der Arbeitnehmer lernen, dass man mit Arbeitgebern reden kann und keine Scheu bestehen muss; das Coaching kann ihn dazu ermutigen. Das Coaching ist nicht immer einfach, aber wer sagt schon, dass das Leben einfach ist.

Jobcenter: Wie schätzen Sie aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter im Zusammenhang mit den Förderfällen ein?

Manuela Stenzel: Hinter dem Jobcenter stehen Menschen wie auch bei uns als Arbeitgeber. Wir leben eine offene und ehrliche Zusammenarbeit, sprechen über Herausforderungen und Bedenken, finden immer gemeinsam einen Weg. Auch wir haben dazugelernt. Ein Griff zum Hörer und häufig sind Herausforderungen kleiner, wenn man diese gemeinsam löst. In diesem Fall gemeinsam mit dem Jobcenter.

Jobcenter: Gehören die beiden Frauen nach jetziger Einschätzung auch über die Förderdauer hinaus zu Ihrem Stammpersonal?

Manuela Stenzel: Ganz klar – Ja!

Jobcenter: Wie schätzen Sie abschließend die Möglichkeiten, die das Teilhabechancengesetz bietet, für sich als Unternehmen ein, und was würden Sie anderen Arbeitgebern mit auf den Weg geben?

Manuela Stenzel: Wir würden jedem Arbeitgeber empfehlen, diese Möglichkeit zu nutzen. Es gibt vielfältige Einsatzmöglichkeiten und damit verbundene Chancen. Gerade geförderte Arbeitsplätze können auch in Unternehmen Situationen lösen und einen wichtigen Beitrag leisten. Es ist ein bisschen wie eine Ausbildung – der langzeitarbeitslose Bewerber kann in die Tätigkeit hineinwachsen. Was wächst – hat Zukunft!

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Frau Bayer und Frau Brettschneider – zwei Frauen, die nach langjähriger Arbeitslosigkeit vom Teilhabechancengesetz partizipieren und so nach Jahren der Arbeits- und Perspektivlosigkeit wieder eine neue ausfüllende Beschäftigung erhalten haben. Beide betonen, wie glücklich sie sind, dass es diese Möglichkeit gibt, sie Nutznießerin dieser Förderung geworden sind und "hoffentlich gibt es noch viele Arbeitgeber wie die WILMA – Der Neubrandenburger Pflegedienst – Gesellschaft für Dienste im Alter mbH, die Menschen wie uns eine Chance geben", sagen sie einvernehmlich.

Manuela Bayer und Irina Brettschneider Foto: Jobcenter