Mit Hilfe des Teilhabechancengesetzes zwei langzeitarbeitslosen Menschen eine Perspektive gegeben (Lesezeit ca. 4:00 Min.)



Ausgabejahr 2020
Datum 21.04.2020

Die Pflegeheim Neubrandenburg gGmbH unter der Leitung von Frau Anke Saadan hat das im letzten Jahr in Kraft getretene Teilhabechanchengesetz für sich genutzt und mit dessen Hilfe 2 langzeitarbeitslosen Menschen wieder eine berufliche Perspektive geboten.

Anke Saadan Quelle: Foto: Pflegeheim Neubrandenburg gGmbH


Thomas Elsner – Pressesprecher des Jobcenters Mecklenburgische Seenplatte-Süd – sprach mit der Geschäftsführerin, Frau Anke Saadan, über die Beweggründe und Erfahrungen mit der neuen gesetzlichen Regelung.

Jobcenter: Frau Saadan, das Teilhabechancengesetz ist seit 15 Monaten in Kraft. Sie haben seitdem für 2 langzeitarbeitslose Menschen über diese Förderung einen Arbeitsplatz geschaffen. Warum haben Sie sich gerade für diese Möglichkeit entschieden?

Frau Saadan: Als stationäre Pflegeeinrichtung haben wir einen vereinbarten Personalschlüssel für alle Bereiche. Durch diese Förderung war es für uns möglich, darüber hinaus zusätzliche Stellen zu schaffen, um die Mitarbeitenden in den hauswirtschaftlichen Bereichen zum Wohle unserer Bewohner*innen zu unterstützen.

Jobcenter: Für beide Angestellten gewährt das Jobcenter Ihnen als Arbeitgeber über die Dauer von 5 Jahren einen Lohnkostenzuschuss. War es der finanzielle Aspekt, der für sie als Arbeitgeber Anreiz ausschlaggebend für die Einstellung war oder gab es noch andere Beweggründe für Sie?

Frau Saadan: Der finanzielle Aspekt gibt uns natürlich überhaupt erst die Möglichkeit, zusätzliche Mitarbeitende zu beschäftigen. Andererseits haben wir schon seit vielen Jahren die Erfahrung gemacht, dass gerade in den Tätigkeitsfeldern, für die keine fachlichen Vorkenntnisse oder Berufsabschlüsse zwingend vorliegen müssen, Menschen beschäftigt werden können, die es in ihrer Arbeits- aber auch Lebensbiographie nicht einfach hatten – die arbeiten möchten, aber einfach keine Chance bekommen haben. Hierbei sind wir als städtische Einrichtung sehr offen, diesen Menschen einfach eine Chance zu bieten, sich in einem Job zu bewähren.

Jobcenter: Die beiden Personen sind bei Ihnen seit April 2019 bzw. Dezember 2019 als Helferin in der Wäscherei bzw. als Helfer im Gebäudeservice tätig. Wie haben sich ihre Mitarbeiterin bzw. Ihr Mitarbeiter in Ihre Aufgaben hineingefunden?

Frau Saadan: Die Wäschereihelferin ist jetzt ein Jahr bei uns tätig. Anfangs galt es einige Herausforderungen zu meistern, z.B. hatte sie großen Respekt vor den Maschinen in der Wäscherei. Durch die intensive Unterstützung der Teamleiterin hat sie sich relativ schnell in die wiederkehrenden Aufgaben eingefunden. Heute arbeitet sie selbstständig, fragt aber bei Bedarf nach.
Der Helfer im Gebäudeservice befindet sich noch in der Einarbeitungsphase, da diesen Bereich sehr viele und umfangreiche Aufgaben kennzeichnen, jedoch setzt er bereits gut die Aufgaben in den ersten Tätigkeitsfeldern um.

Jobcenter: War es auf Grund der langen Dauer der Arbeitslosigkeit ein größeres Problem, sie in Ihr Team zu integrieren?

Frau Saadan: Nein. Die Wäschereihelferin fühlt sich in dem kleinen Team sehr wohl, sie war von Anfang offen und ist selbst auf die Kolleginnen zugegangen. Es gab auch keine Probleme bei der Integration in das Team der Mitarbeiter des Gebäudeservices. Es funktionierte sehr gut, weil die geförderten Mitarbeitenden und die anderen Teammitglieder sehr positiv aufeinander zugingen.

Jobcenter: Sehen Sie – bei guter Entwicklung – für die Kolleg*innen eine Perspektive über die Förderphase hinaus?

Frau Saadan: Da unsere Einrichtung in den nächsten Jahren die Tätigkeitsfelder erweitern will, wird ein Ausbau der Beschäftigtenanzahl erfolgen. Die in der Wäscherei eingesetzte Mitarbeiterin ist persönlich sehr bemüht, so dass eine Weiterbeschäftigung nach der Förderphase absehbar ist. Dasselbe gilt bei guter Entwicklung für den Helfer im Gebäudeservice.

Jobcenter: Wie schätzen Sie rückwirkend die Personalauswahl und die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter bei der Besetzung und der Abwicklung der Formalitäten ein?

Frau Saadan: Wir haben schon seit vielen Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Jobcenter. Durch unser klares Definieren der Stellenanforderungen sowie der persönlichen Anforderungen an ein*e Bewerber*in wurden uns durch das Jobcenter gezielt passende Personen vorgestellt, wodurch auch nur ein geringer zeitlicher Aufwand im Vorstellungsprozess benötigt wurde.
Die Abwicklung der Formalitäten erfolgte unkompliziert. Das kurze Antragsformular war schnell ausgefüllt. Der Antrag wurde innerhalb kürzester Zeit vom Jobcenter bearbeitet, sodass eine zeitnahe Einstellung der Arbeitnehmer erfolgen konnte. Im weiteren Verlauf muss der Arbeitgeber einmal jährlich eine Meldung für das Jobcenter zum gezahlten Entgelt erstellen. Weiterhin sind zeitnah alle Unterbrechungen der Lohnfortzahlung (z.B. durch Krankheit) gegenüber dem Jobcenter anzuzeigen.

Jobcenter: Zum Gesamtpaket der Förderung gehört außerdem eine sogenannte beschäftigungsbegleitende Betreuung Ihrer neuen Kolleg*innen. Wie schätzen Sie diesen Teil bzw. auch das Gesamtinstrument ein, was kann besser laufen, was fehlt Ihnen noch?

Frau Saadan: Die Betreuung findet regelmäßig statt, ist gut und ausreichend. Sie wird von beiden geförderten Mitarbeitenden angenommen. Die Betreuung ist eine sehr positive Unterstützung für diese Mitarbeitenden, um gerade nach einer langen Zeit des beruflichen Nichttätigseins mit den Begleitumständen des Arbeitslebens zurechtzukommen.

Jobcenter: Auch die Qualifizierung der Mitarbeitenden kann bis zu einer Höhe von 3000,- € gefördert werden. Beabsichtigen Sie Ihre Mitarbeiterinnen noch zu qualifizieren? Welche Angebote waren dafür hilfreich?

Frau Saadan: Allgemein sind für diese Tätigkeiten keine speziellen fachlichen Qualifikationen erforderlich. Momentan besteht hier unsererseits kein Bedarf.

Jobcenter: Gestatten Sie mir noch eine letzte Frage: Was können Sie nach ihren bisherigen Erfahrungen anderen Arbeitgebern der Region mit auf den Weg geben?

Frau Saadan: Erst einmal möchte ich sagen, dass kein Arbeitgeber Bedenken haben sollte, langzeitarbeitslose Menschen einzustellen. Natürlich hängt viel von der persönlichen Einstellung dieser Menschen ab. Deshalb ist die Förderung auch sehr sinnvoll, denn diese Menschen müssen erst einmal wieder an das Arbeitsleben herangeführt werden. Achten sollte der Arbeitgeber auf eine gute und intensive Begleitung und auf das Verständnis seitens der Kolleg*innen.

Geben Sie als Arbeitgeber einfach diesen Menschen eine Chance, es lohnt sich auch für Sie!

Jobcenter: Frau Saadan, herzlichen Dank für das Interview und ein extra Dankeschön gilt Ihnen und Ihrer gesamten Mannschaft, dass Sie in dieser schwierigen Zeit in besonderer Weise für die Seniorinnen und Senioren aus unserer Region da sind.

Eine Förderung nach § 16i des Teilhabechancengesetzes kann beim Jobcenter MSE-Süd jederzeit beantragt werden.